Impfung

Impfen: Nur klare Strukturen bringen uns weiter

Austausch mit zahlreichen Experten

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie kamen zahlreiche Experten zum Austausch zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie Deutschland beim Thema Impfen zukünftig arbeiten solle. Daniela Kuge fasst die Stimmen wie folgt zusammen:

Bayerisches Ministerium für Gesundheit & Pflege

Der bayerische Staatsminister für Gesundheit & Pflege Klaus Holetschek ging umfangreich auf das Schließen von Impflücken ein. Er unterstrich, dass Kommunikation ein zentrales Mittel zum Schließen dieser Impflücken sei. Hier komme neben den Ärzten vor allem der STIKO und den (sozialen) Medien eine wesentliche Rolle zu. Deutlich werde dies u.a. daran, dass in Bayern nur 37 Prozent der über 60-jährigen gegen Grippe geimpft sind und die Zahl der Pneumokokken-Impfungen in dieser Altersgruppe bei nur 15 Prozent liegt. Auch die Impfquoten bei HPV, 40 Prozent bei 15-jährigen Mädchen und nur 4 Prozent bei den gleichaltrigen Jungs, blieben hinter den Erwartungen zurück.

Zu den Ursachen für die Impflücken zählt Holetschek neben fehlendem Wissen zu Impfungen und der Angst vor potenziellen Nebenwirkungen auch darin, dass viele Menschen Termine für Impfungen vergessen würden. Ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Impfquoten könne deshalb ein bundesweites Impfregister sein. Daten könnten so bundesweit erfasst und Lücken analysiert werden. Nur so könne ein klares Bild über den Impfstatus erhoben und Zielgruppen direkt angesprochen werden.

DAK Gesundheit

Sophie Schwab von der Landesvertretung Bayern der DAK-Gesundheit erklärte, dass die Covid-19-Pandemie direkten und indirekten Einfluss auf die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland hatte. Das zeige der aktuelle Kinder- und Jugendreports der DAK (Versorgungsstudie auf Datenbasis 2019 – 2021).

Demnach kam es in allen Versorgungsbereichen zu einem Rückgang der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, u.a. bei den Impfungen. Obwohl Bayern beim Impfen besser abschneide als der Bund, seien auch hier deutliche Impflücken entstanden und bislang keine Nachholeffekte erkennbar (z.B. bei Meningokokken C, Diphtherie, Pertussis, Tetanus, Polio und HPV-Erstimpfungen).

Anschließend stellte Schwab am Beispiel der HPV-Erstimpfung für Mädchen und die mit steigendem Alter zunehmenden Rückgänge in fast allen Altersklassen detaillierter dar. Sie warf die Frage auf, mittels welcher konkreten Maßnahmen die ausgefallenen Impfungen zeitnah durchgeführt und die entstandenen Impflücken geschlossen werden können.

Anschließend warb sie für ein konzertiertes Vorgehen aller Beteiligten, um die Impfquoten nachhaltig zu steigern. Dazu gehöre u.a.:

  • eine stärkere Einbindung von Betriebsärzten
  • Nutzen bestehender Strukturen der Gesundheitsregionen plus
  • Vermitteln von Gesundheitskompetenz bereits an Schulen, optimalerweise unter aktiver Einbindung von Kinder, Jugendlichen und Influencern.

Außerdem erwähnte Schwab in dem Zusammenhang das bundesweite DAK-Präventionsprogramm fit4future, das sich über Kita – Grundschule – weiterführende Schulen erstrecke und die Themen Bewegung, Ernährung, Resilienz, Stressbewältigung mit dem Ziel aufgreife, die Schule zu einem gesunden Ort zu machen. Gegebenenfalls lasse sich hier das Thema Impfen noch stärker einbringen.

Bayerisches Landesamt für Gesundheit & Lebensmittel

Prof. Dr. Jörg Schelling, Facharzt für Allgemeinmedizin und Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Impfen (LAGI) am Bayrischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, führte aus, dass gute und strukturierte Zusammenarbeit im Praxis-Team ein wesentlicher Faktor für eine gute Umsetzung beim Impfen sei. Mit Hilfe eines Impfmanagementsystems können Impflücken erkannt und Fehler beim Umgang mit Impfstoffen vermieden werden. Zudem könne durch Anbindung an das Praxisverwaltungssystem (PVS) ein patientenindividueller Impfplan erstellt werden und Patienten können mithilfe eines integrierten Recall-Systems an bevorstehende Impfungen erinnert werden.

Prof. Schelling betonte, dass Impfstoffe grundsätzlich gut verfügbar sei und in Bayern jeder Bürger unabhängig vom Alter gegen Influenza geimpft werden könne. Gleichzeitig würden aber noch zu wenige Ärzte von der Möglichkeit Gebrauch machen, unabhängig vom Fachgebiet zu impfen.

Außerdem seien aus seiner Sicht weitere Ansatzpunkte für ein gutes Gelingen beim Impfen gut ausgebildete Impfassistenten, motivierte und informierte Ärzte und ein elektronisch unterstütztes Impf-Management. Wichtig sei darüber hinaus ein universitärer Lehrstuhl für praktische Impfmedizin.

Frauenärzte e.V.

Dr. med. Michael Wojcinski, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Sprecher der AG Impfen in der Gynäkologie des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. befürwortete proaktives Impfen. Jeder Arzt & und die entsprechenden Praxisteams sollen sich für den Impfschutz der Patienten (und deren Kontaktpersonen) verantwortlich fühlen. Er unterstrich dabei, wie wichtig eine aktive Patientenansprache sei.

Außerdem sei die ärztliche Empfehlung zur Impfung entscheidend. Allerdings sei das Impfwissen nicht gleichmäßig in der Ärzteschaft verteilt, was ein Problem darstelle. Außerdem vertrauen die Fachärzte auf die Vollständigkeit des Impfschutzes, anstatt diesen regelhaft selbst zu überprüfen und bei Bedarf zu vervollständigen.

Er skizziert, dass die Impfquoten in Deutschland weit unter den STIKO-Empfehlungen lägen. Ein Großteil der niedergelassenen Ärzte beschäftige sich lt. Wojcinski nur am Rande mit dem Thema Impfen. Daher fordert er, dass dem Arzt und seinem Praxisteam das Impfen leicht gemacht werden müsse. Dies werde derzeit noch durch Folgendes erschwert:

  • regional oder kassenspezifisch unterschiedliche Regelungen (Bsp.: Satzungsleistungen bei der Grippeimpfung)
  • zu wissenschaftliche Empfehlungen der STIKO (Bsp.: Komplexe Empfehlung zur Pneumokokken-Impfung, 136 Seiten Anwendungshinweise zum Impfen bei Immundefizienz). Hier forderte Wojcinski praktikable Handlungsanweisung (kurz, verständlich, klar). Impfen müsse durch einige (wenige), einfache Merksätze leicht gemacht werden!

Wojcinski forderte auch, dass das Impfwissen regelmäßig zu aktualisieren sei und sprach sich für verpflichtende(s) Impfen und Impfaufklärung aus. Darüber hinaus sollen STIKO-Empfehlungen sofort in die Schutzimpfungsrichtlinie aufgenommen und damit erstattet werden. Außerdem solle es in den Schulen das Pflichtfach „Impfungen“ geben.

Lt. Wojcinski werden immer neue Gremien, Impfregister etc. die Impfquoten nicht signifikant steigern. Entscheidend sei vielmehr die Umsetzung in den Arztpraxen.

Deutscher Hausärzteverband

Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes und Landesvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands, sprach sich dafür aus, dass Ärzte bei den Impfquoten – auch im Hinblick auf die dargestellten Entwicklungen im DAK Kinder- und Jugendreport – noch besser werden müssen. Außerdem seien Impf-Recalls mit digitaler Unterstützung selbstverständlicher und leichter.

Lt. Beier werde das Digitalisierungsangebot der Ärzte zurückgestellt, weil alle auf die MIO Impfen warteten. Das bremse schon heute verfügbare Innovationen durch zentrale Regulierungen aus.

Pandemiebedingt sei das Impfen „etwas untergegangen“. Allerdings werde lt. Aussage Beier im Rahmen der sehr erfolgreichen Covid-19-Impfung der Impfstatus insgesamt kontrolliert, so dass es im Vergleich zu 2019 seiner Ansicht nach zu mehr Impfungen gekommen sei. Er sagt: „Wenn man schon impft, schaut man sich bei der Gelegenheit alles an“, und ruft dazu auf, jede Impfung zu nutzen, um sich das Impfbuch anzuschauen.

Er unterstreicht außerdem, dass nicht auf TI und MIOs gewartet werden solle, sondern digitale Innovationen möglichst schnell zu vereinbaren seien. Auch betont Beier die die Bedeutung schulischer Maßnahmen zur Steigerung der Gesundheitskompetenz und wünscht sich zielgruppenspezifischere Kampagnen und Aktionen. Das können neben aufsuchenden Impfangeboten auch gelungenere Impfkampagnen wie in Frankreich sein.

Beier stellte für seinen Verband eine Überarbeitung der Präventionsinhalte in der HZV in Aussicht. Hier solle das Thema Impfen „ganz nach oben gestellt werden“.

AOK

Peter Krase von der AOK Bayern und Bevollmächtigter der Leistungs- und Versorgungssteuerung, bemerkte, dass Impfungen zählen zu den effektivsten und kostengünstigsten Präventionsmaßnahmen zählen. Um das Impfen zu fördern, sollten die Kassen zusammen mit Ärzten und weiteren Organisationen konzertierte Aktionen koordinieren. Regional könnten die Gesundheitsregionen eine größere Rolle beim Thema Impfen spielen und zu diesem Zweck auch mit örtlichen Medien zusammenarbeiten. Beispielhafte nannte er aufsuchende Impfangebote.

Landesweite Aktionen/Kampagnen hingegen sollten eher zentral über eine staatliche bzw. landesweite Stelle koordiniert werden. Außerdem plädiert Krase für eine verstärkte Aufklärung zum Thema Impfen an Schulen. Außerdem sprach sich auch Krase für zentrales Impfregister aus.

Ärzteverband des öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V.

Dr. med. Johannes Nießen, vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. begrüßte die Bayerische Landesarbeitsgemeinschaft Impfen (LAGI) als Vorbild für andere Bundesländer und betonte die Wichtigkeit bundes- und landesweiter Bündnisse und Veranstaltungen, um das Thema konzertiert vor Ort voranzutreiben. Er hob die Wichtigkeit der Schuleingangsuntersuchungen mit Kontrolle der Impfpässe als ein Instrument hervor, um die Eltern auf vorhandene Impflücken hinzuweisen. Bezugnehmend auf die Forderung Dr. Wojcinskis nach einer Vereinfachung der STIKO-Empfehlungen, resümierte Nießen, dass klare, einfache Botschaften beim Impfen helfen und kündigt an, diese sinnvolle Maßnahme an die STIKO heranzutragen.

"In der Gesundheitspolitik sind regelmäßige Austausche wie dieser sehr wichtig. Es war eine interessante Veranstaltung!"

Daniela Kuge, Gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion