Redebeitrag im Plenum des 25. März 2021
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Frauen und Mädchen zählen in ALLEN Gesellschaften zu den benachteiligten Gruppen und sind daher von der Pandemie und deren Folgen in besonderem Maße betroffen.
Gerade Sorgen um die Existenz, Quarantäne und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit führen zu einem deutlichen Anstieg von häuslicher Gewalt. Viele Beratungsstellen verzeichneten als Folge einen Anstieg von Anrufen bei Hilfe-Hotlines. Zur Erinnerung: Viele Hilfesuchende melden sich das erste Mal bei einer Beratungsstelle nach 5-8 Jahren. Und oft suchen die Opfer die Schuld zuerst bei sich selbst.
Drei Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention fehlen in Deutschland eine ressortübergreifende Gesamtstrategie, handlungsfähige Institutionen und die notwendigen Ressourcen, um das Recht aller Frauen und Mädchen auf ein gewaltfreies Leben umzusetzen.
Noch immer sind Frauen und Mädchen in Deutschland durch Lücken im Hilfesystem nicht ausreichend vor Gewalt geschützt. Wichtig für uns in der Politik ist die Stärkung des Netzes von Beratungs- und Hilfesystemen.
Wir müssen unsere Hilfsnetze weiter bekannt machen und es ist richtig und wichtig, dass alle Medien dieses Thema aufgreifen. Wir müssen mehr Menschen für dieses Thema sensibilisieren. Gerade in einer Krise ist es wichtig, aufeinander aufzupassen!
Erschreckend ist ein Blick über die Grenzen der Europäischen Union: Dass die Türkei aus diesem wichtigen internationalen Schutzabkommen für Frauen austritt, ist ein riesiger Rückschlag. Die Begründung, dass das Abkommen die Scheidungen fördern würde, ist ungeheuerlich. Gerade die Türkei verzeichnete im vergangenen Jahr einen erneuten Anstieg um 60% von Morden an Frauen. Solchen Ländern darf kein Beitritt in die Europäische Union in Aussicht gestellt werden.
Lassen Sie mich bitte noch einen kurzen Blick auf die Frauen in der Prostitution und damit auf den Menschenhandel werfen. Viele Frauen arbeiteten bereits vor dem Lockdown in der Illegalität. Diese Frauen sind in der aktuell harten Zeit noch unsichtbarer für uns geworden. Aufmerksam machen u. a. die Vereine „gemeinsam gegen Menschenhandel“, Neustart eV, Netzwerk Ella oder Sisters Berlin. Vielen Dank für Euren Mut und die ehrlichen Berichte.
Anders als viele Männer behaupten, ist Prostitution KEIN Job wie jeder andere! Und an die, die immer so tun, als wäre es das „das älteste Gewerbe der Welt“ und dass ist ja alles nicht so schlimm, dürfen sich gern mal vorstellen, wenn es ihr 12-jähriger Sohn oder seine 14-jährige Tochter wäre. Falls Sie keine Kinder haben, stellen Sie sich einfach vor, wie ihre Frau oder Freundin jeden Tag 10 mal vergewaltigt wird, eh sie nach Hause kommt.
Ich bitte Sie alle mal vorurteilsfrei nach Schweden zu schauen. Das schwedische Modell ist 1998 eingeführt worden. Inzwischen haben sieben weitere Staaten diese Grundprinzipien zum Umgang mit Prostitution ebenfalls eingeführt. Im Rahmen der Gesetzesreform wurde im Bereich der Prostitution der Sexkauf kriminalisiert. Das bedeutet, die Kunden werden für den Kauf von Sex bestraft; die Prostituierten bleiben straffrei. Prostitution wird in Schweden als Gewalt gegen Frauen definiert. Prostitution wird als erzwungene Handlung bzw. geschlechtsspezifische Gewalttat und als ernstes soziales Problem verstanden. Straftatbestand ist die „grobe Verletzung der Integrität der Frau“. Unter Prostitution wurden sowohl die Erwerbstätigkeit als auch die Zwangsprostitution und der Menschenhandel, die Kinderprostitution und die Beschaffungsprostitution subsumiert. Bis Deutschland endlich so weit ist, wird wahrscheinlich noch viel Aufklärungsarbeit nötig sein. Frauen sind weder hier im Parlament noch im normalen Leben Männer 2. Klasse!
Gestatten Sie mir noch einen letzten Satz: Ich danke ausdrücklich Katja Meier für den Teil des Haushaltsentwurfes, der diese Themen mit aufgreift.